Übergang zu Elektrofahrzeugen: Öffentliche Einnahmen und Finanzierung von Straßen
CSFM-Seminar in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wissenschaft, Technologie und Politik (ISTP) mit Bessie Noll der Energie- und Technologiepolitik (EPG), Dr. Betsy Sandoval Guzmán der Forschungsgruppe Fahrzeugsysteme (EMPA), Alessio Levis der Internationalen Politische Ökonomie und Umweltpolitik (IPEEP) und Roman Rosenfellner vom Bundesamt für Strassen (ASTRA).
Über das Seminar
Die Mineralölsteuer generiert Einnahmen in Milliardenhöhe, die hauptsächlich zur Finanzierung von Straßenbau und -unterhalt verwendet werden. Die schrittweise Einführung von Elektrofahrzeugen in den Schweizer Fuhrpark soll die erheblichen CO2-Emissionen des Verkehrssektors mindern. Dieser Übergang schafft eine erhebliche Finanzierungslücke in der Verkehrsinfrastruktur. In diesem Seminar wollten wir verschiedene Perspektiven vermitteln, die auch Teil der Forschung im Bereich der nachhaltigen Mobilität am CSFM sind und die unserer Meinung nach in den aktuellen Dialog- und Entscheidungsprozess einfliessen sollten.
Roman Rosenfellner vom Bundesamt für Strassen präsentierte die Hauptpfeiler sowie die offenen Fragen rund um die Entscheidungsgrundlage für ein neues Finanzierungsmodell. Zentrales Element dieses Modells ist die Ablösung der Mineralölsteuer durch eine streckenbezogene Abgabe. Die umstrittenen Nebeneffekte der Ablösung der Mineralölsteuer, die unterschiedlichen Einführungsstrategien und die technischen und datenschutzrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Erfassung der gefahrenen Kilometer sind relevante Aspekte der Debatte.
Betsy Sandoval Guzmán von der EMPA zeigte mögliche Diskrepanzen zwischen dem tatsächlichen Energieverbrauch und linearen Preismodellen auf, die üblicherweise Indikatoren wie Leergewicht, Motorleistung und zurückgelegte Strecke berücksichtigen. Die vorgestellten Methoden basieren auf Energiemodellen für Fahrzeuge und einer auf maschinellem Lernen basierenden Segmentierung von Personenkraftwagen und wurden bereits in mehreren Dekarbonisierungsprojekten erfolgreich angewandt.
Bessie Noll von der Energy and Technology Policy Group (EPG) erörterte die Frage, wie man den Bedarf an Einnahmen mit der Dringlichkeit einer Beschleunigung des Übergangs zum Elektroauto in Einklang bringen kann. Anhand von techno-ökonomischen Modellen für die Einführung von E-Fahrzeugen kommen sie zu dem Schluss, dass eine entfernungsabhängige Besteuerung besser funktioniert als eine Kaufsteuer und dazu beitragen kann, erhebliche Verzögerungen bei der Umstellung zu vermeiden.
Schlussendlich präsentierte Alessio Levis von der Abteilung Internationale Politische Ökonomie und Umweltpolitik Studien zur öffentlichen Unterstützung und zur Beurteilung der politischen Machbarkeit, die für das Erreichen des Ziels von Null Netto-Emissionen bis 2050 entscheidend sind. In dieser Hinsicht bietet das Schweizer Mobilitätspanel, das sich derzeit in der fünften Erhebungswelle befindet, eine einzigartige und hochwertige Grundlage zur Unterstützung des Entscheidungsprozesses.
Die lebhafte Diskussion zeigte, dass es ein großes Potenzial für die Verbindung all dieser Wissensbereiche und die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Forschung und staatlichen Einrichtungen gibt.
Wir bedanken uns bei den Referenten und unserem Moderator Thomas Bernauer, sowie bei allen Teilnehmern für die gelungene Veranstaltung und freuen uns auf ein baldiges Wiedersehen in den nächsten Seminaren. Nachfolgend einige Impressionen von der Veranstaltung und die gehaltenen Vorträge, falls Sie diese noch einmal Revue passieren lassen möchten. Viel Spaß beim Stöbern!
Downloads
- Download vertical_align_bottom The shifting landscape of public revenues in the age of electric vehicles (PDF, 1.2 MB)
- Download vertical_align_bottom A major challenge: New road infrastructure financing in the context of increasing electromobility (PDF, 1.9 MB)
- Download vertical_align_bottom How are vehicles operated on the road? (PDF, 2.7 MB)
- Download vertical_align_bottom Introducing a mileage tax for BEVs: Preferences for tariff systems and distance measurement (PDF, 1.8 MB)
Abstracts und Kurz-Biografien
Die zunehmende Verbreitung von Elektrofahrzeugen (EVs) stellt die Verkehrshaushalte vor Herausforderungen, da traditionelle Einnahmequellen wie die Mineralölsteuer zurückgehen. Die Einführung von Steuern auf Elektrofahrzeuge als alternative Lösung ist zwar praktikabel, könnte jedoch den Übergang auch behindern. Um dieses Problem anzugehen, werden Auswirkungen verschiedener EV-Steueroptionen untersucht. Es wird ein Rahmenwerk zur Bewertung von Besteuerungsoptionen entwickelt und ein Discrete-Choice-Adoptionsmodell angewandt, um die Übergangseffekte von drei Arten von EV-Steuern, die in fünf Ländern mit unterschiedlichen Zeitpunkten eingeführt werden, quantitativ darzustellen.
Bessie Noll ist Doktorandin in der Energy and Technology Policy Group (EPG). Ihre Arbeit konzentriert sich einerseits auf die Vorhersage zukünftiger Marktanteile von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb im Mobilitätssektor, andererseits auch allgemeiner auf die Auswirkungen politischer Maßnahmen auf die Entwicklung sauberer Energietechnologien und die Übergangsergebnisse moderner Energiesysteme.
Energy and Technology Policy Group (EPG)
Der Forschungsschwerpunkt der Gruppe Energie- und Technologiepolitik (EPG) konzentriert sich auf die Frage, wie Gesetzgebungen und Politik die Erfindung, Innovation und Verbreitung neuer Technologien beeinflussen und wie der technologische Wandel in den politischen Prozess zurückfließt.
Am Automotive Powertrain Laboratory der Empa werden Methoden entwickelt, um den Betrieb von Fahrzeugen auf den Schweizer Strassen anhand ihrer technischen Spezifikationen (Grösse und Leistungssegment, Antriebstechnologie) und ihrer typischen Nutzung (z.B. Erst-/Zweitwagen) zu charakterisieren. Zu diesem Zweck haben wir einen Machine-Learning-Ansatz zur Segmentierung von Fahrzeugen (einschließlich 5 Größenklassen, Sport- und Mehrzweckfahrzeuge) sowie ein detailliertes Energieverbrauchsmodell für verschiedene Fahrzeugtypen/Antriebstechniken entwickelt. Unser derzeitiger Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung eines Betriebsmodells auf der Grundlage von Fahrzeugverfolgungsdaten. Die Kombination der oben genannten Elemente ermöglicht uns ein detailliertes Verständnis der Flotte, ihres Betriebs und ihres Energiebedarfs, was unter anderem für die Entwicklung von Dekarbonisierungsstrategien oder betriebsabhängigen Steuerregelungen von entscheidender Bedeutung ist.
Betsy Sandoval Guzman ist Postdoktorandin in der Gruppe Fahrzeugsysteme der Empa, wo sie die Entwicklung eines Betriebsmodells für die Schweizer Fahrzeugflotte leitet. Sie ist Maschinenbau- und Elektroingenieurin der Universität von Guadalajara in Mexiko. Sie verfügt über umfassende Erfahrung in der Erfassung, Analyse und Modellierung von Betriebs- und Energieverbrauchsdaten. Zu ihren Forschungsinteressen gehören Big Data, Datenanalyse von Energieverbrauchsdaten, räumlich-zeitliche Techniken und maschinelles Lernen.
Das Schweizer Mobilitätspanel ist eine Zusammenarbeit der Gruppe Internationale Politische Ökonomie und Umweltpolitik und des Instituts für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich. Die Panelbefragung wird seit Oktober 2020 durchgeführt und umfasst bisher 4 Wellen. Im kommenden Befragungsexperiment wollen wir die politischen Präferenzen der Schweizer Wohnbevölkerung bezüglich einer neuen Kilometersteuer für BEVs untersuchen. Konkret führen wir eine Conjoint-Analyse durch, um festzustellen, wie die Präferenzen für eine künftige Kilometersteuer für BEVs in Bezug auf 1) die Messung der jährlich zurückgelegten Strecke und 2) die Festlegung des Steuersatzes geprägt sind. Des Weiteren untersuchen wir, ob die Schweizer Bürger eine Steuersenkung für BEVs im Vergleich zu ICEVs bevorzugen und wie die Einführung einer solchen Kilometersteuer für BEVs die Absichten der Verbraucher beim Kauf eines neuen Autos verändert. Wir fassen die Aspekte zusammen, die wir bei der Planung dieser Umfrage berücksichtigen.
Alessio Levis ist Doktorand in der Gruppe Internationale Politische Ökonomie und Umweltpolitik. Der Schwerpunkt seiner Forschung liegt auf der Untersuchung von Umwelteinstellungen, Mobilitätsverhalten und der Entwicklung von politischen Rahmenbedingungen. Er wendet experimentelle Inferenztechniken in großen N-Umfragen an, die in der Schweiz und in verschiedenen Ländern der Europäischen Union durchgeführt werden.
Thomas Bernauer ist Professor für Politikwissenschaft an der ETH Zürich. Seine Forschung konzentriert sich auf Umweltpolitik und internationale Handelsfragen. Sie basiert auf quantitativer Forschung auf Makroebene, eingebetteten Experimenten auf Mikroebene, Fallstudienforschung und Interaktion mit politischen Entscheidungsträgern und Interessengruppen.
Die Schweizer Regierung hat das ASTRA beauftragt, ein Konzept zu entwickeln, das die langfristige Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur bis spätestens 2030 sicherstellt. Dieser Vortrag zeigt auf, warum das so ist und geht auf diese Hauptaspekte dieses Konzepts ein:
- Wie soll die Mineralölsteuer (und eventuell andere Verkehrsabgaben) durch eine fahrleistungsabhängige Abgabe ergänzt oder ersetzt werden? Was sind die Optionen?
- Wo liegen die Chancen und Risiken? Schweizer Überlegungen, laufende Arbeiten und ein Blick in die Zukunft.
Roman Rosenfellner erwarb einen Master of Science in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bern. Nach verschiedenen Tätigkeiten bei einem grossen Schweizer Energieunternehmen und als Berater im Bereich Wirtschaftsforschung und -politik wechselte er 2013 zum Bundesamt für Strassen. Dort war er an der Entwicklung des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds beteiligt, der schliesslich 2018 eingeführt wurde. Danach leitete er verschiedene Projekte im Bereich der Strassenfinanzierung und des Mobility Pricing. Besonders hervorzuheben ist die Entwicklung des Konzepts zur Ablösung der Mineralölsteuer im Rahmen der Dekarbonisierung. Aktuell leitet er die Entwicklung von Machbarkeitsstudien für Mobility-Pricing-Pilotprojekte in verschiedenen Regionen der Schweiz.