Kommerzielle Produktion von nachhaltigen solaren Verkehrskraftstoffen

Die ETH Zürich hat kürzlich gemeinsam mit ihren Industriepartnern Synhelion, SBB und AMAG eine umfassende technische, ökonomische und ökologische Analyse der solarthermochemischen Produktion von Drop-in-Kraftstoffen abgeschlossen.

Diese synthetischen Kraftstoffe sind mit den bestehenden globalen Verkehrsinfrastrukturen vollständig kompatibel und können insbesondere zu einer nachhaltigen Luftfahrt, Seeschifffahrt und bestimmten Segmenten des Straßen- und Schienenverkehrs beitragen. Eine Analyse zeigt, dass kohlenstoffneutrale Düsenkraftstoffe in naher Zukunft zu wettbewerbsfähigen Kosten hergestellt werden können und eine Vermeidung von Treibhausgasemissionen von über 80% ermöglichen.

Die Studie wurde im Rahmen des Projekts SUNFUELS durchgeführt und von der ETH-Mobilitätsinitiative finanziert. Das interdisziplinäre Team unter der Leitung von Prof. Aldo Steinfeld (Erneuerbare Energieträger, D-MAVT) und Prof. Anthony Patt (Klimapolitik, D-USYS) analysierte die technische Leistung, die Kosten und die Lebenszyklus-Treibhausgasemissionen der Produktion verschiedener Treibstoffe unter Verwendung von in der Luft aufgefangenem Wasser und CO2, sowie konzentrierter Sonnenenergie als Quelle für Hochtemperatur-Prozesswärme. Der solarthermochemische Kraftstoffproduktionsweg nutzt einen Redoxzyklus auf Ceroxidbasis zur Spaltung von Wasser und CO2 in Synthesegas, ein maßgeschneidertes Gemisch aus H2 und CO, das wiederum in flüssige Kohlenwasserstoffkraftstoffe für den Transportsektor umgewandelt wird. Der Kreislauf wird durch konzentrierte Sonnenwärme angetrieben und durch einen Hochtemperatur-Wärmespeicher für den Dauerbetrieb rund um die Uhr ergänzt. In der Studie werden drei Standorte mit hoher direkter normaler Einstrahlung unter Verwendung eines Heliostatenfeldes mit einer Grundfläche von 1 km2 für die Produktion von sechs Drop-in-Kraftstoffen untersucht, nämlich: Düsenkraftstoff und Diesel über Fischer-Tropsch, Methanol, Benzin über Methanol, Dimethylether und Wasserstoff.

Es werden zwei Szenarien betrachtet: die kurzfristige Zukunft bis zum Jahr 2030 und die langfristige Zukunft nach 2030.

In der nahen Zukunft und in Regionen mit hoher Sonneneinstrahlung, z. B. in der Atacama-Wüste in Chile, wird der Mindestverkaufspreis für Kraftstoff auf etwa 76 €/GJ (2,5 €/L) für Düsenkraftstoff und Diesel, 65 €/GJ für Methanol, Benzin (über Methanol) und Dimethylether (DME) und 42 €/GJ für Wasserstoff (ohne Verflüssigung) geschätzt. Langfristig könnte die Anlage im industriellen Maßstab mit Fortschritten bei Solarreceivern, Redoxreaktoren, Hochtemperatur-Wärmerückgewinnung und Niedertemperatur-Adsorption mit direkter Luftabscheidung einen Wirkungsgrad von bis zu 13-19 % erreichen, je nach Zielkraftstoff, was zu einem Mindestverkaufspreis von 16-38 €/GJ (0. 6-1,3 €/L) für Düsenkraftstoff und Diesel, sowie 14-32 €/GJ für Methanol, Benzin und DME ergeben, wodurch diese aus Sonnenlicht und Luft synthetisierten Kraftstoffe gegenüber E-Kraftstoffen, aber auch gegenüber fortgeschrittenen Biokraftstoffen wettbewerbsfähig sind, wenn optimale Bedingungen gegeben sind.

Darüber hinaus zeigt die Ökobilanz, dass die Treibhausgaseinsparungen für alle betrachteten Brennstoffe (im Vergleich zu fossilen Brennstoffen) und Standorte bereits über der in der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien II geforderten Quote von 70% liegen, wobei Einsparungen von über 80% bereits in naher Zukunft erreicht werden können. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die Verwendung einer konzentrierten CO2-Quelle aus schwer abbaubaren Industrien wie Stahl- und Zementwerken anstelle der direkten Abscheidung aus der Luft für die ersten Solarkraftwerke die Kosten in naher Zukunft senken und gleichzeitig die Anforderungen der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien II zur Reduzierung der Treibhausgase erfüllen kann. Zusammenfassend zeigt diese Studie, dass die solare thermochemische Produktion von Drop-in-Kraftstoffen an Standorten mit hoher direkter normaler Einstrahlung im Vergleich zu E-Fuels unter Verwendung von PV-/Windstrom kostenmäßig wettbewerbsfähig werden kann. In Bezug auf die Treibhausgasemissionen ergibt die Ökobilanz der beiden Wege vergleichbare Umweltleistungen.

Die Ergebnisse zeigen, dass Drop-in-Transportkraftstoffe aus Sonnenlicht und Luft in Zukunft eine realistische Option sein könnten.

Dr. Christian Moretti und Dr. Vikas Patil (Autoren der Studie) kommentieren die Ergebnisse

"Unsere Studie zeigt die wirtschaftliche Realisierbarkeit eines energetisch autarken, großtechnischen thermochemischen Redoxzyklus-Kraftstoffproduktionssystems. Dieses innovative System arbeitet rund um die Uhr nur mit Luft und Sonnenlicht, und seine Machbarkeit wird durch die sinnvolle Integration von thermischer Energiespeicherung und Abwärmerückgewinnung auf verschiedenen Ebenen innerhalb der Anlage ermöglicht. Von Beginn des Projekts an waren wir von den ökologischen Vorteilen dieses Verfahrens überzeugt. Wir waren überrascht, als wir feststellten, dass die Umsetzung dieses Konzepts zu erheblichen Kosteneinsparungen führen kann, insbesondere in Regionen mit hoher direkter Sonneneinstrahlung."

Dr. Moretti blickt auf eine sehr positive Zusammenarbeit mit Synhelion, SBB und AMAG während der gesamten Laufzeit des Projekts zurück. "Wir hielten vierteljährliche Projekttreffen ab, und sie lieferten jedes Mal Daten, technische Unterstützung und Validierung mit internem Wissen". Diese Zusammenarbeit hat das Wissen über potenzielle Produktionswege und Anwender für diese innovativen Kraftstoffe erheblich erweitert. Dr. Patil absolvierte sein Master- und Promotionsstudium bei der Gruppe Renewable Energy Carriers (PREC) und arbeitete anschließend während seiner Postdoc-Zeit an diesem Projekt. Er betrachtet diese Arbeit als einen erfüllenden Abschluss seines Studiums und seiner Forschung an der ETH und als einen natürlichen Übergang zu einem Neustart bei Synhelion, einem ETH-Spin-off derselben Gruppe.

Die Industriepartner unterstützen die Forschung und Entwicklung von nachhaltigen Transportkraftstoffen

Für die AMAG können synthetische Kraftstoffe eine Lösung zur Dekarbonisierung der Mobilität sein, zusätzlich zum Umstieg auf Elektromobilität. Das Unternehmen setzt auf die Zusammenarbeit mit den führenden Schweizer Hochschulen, um gemeinsam die Herausforderungen der Mobilität und Energieversorgung anzugehen. Dino Graf, Leiter der Unternehmenskommunikation der AMAG, ist überzeugt, dass synthetische Treibstoffe nicht nur eine Übergangslösung, sondern eine vollwertige Lösung für die Abkehr von fossilen Treibstoffen sein werden:

"Der Weg zu einem wettbewerbsfähigen synthetischen Treibstoff ist noch lang, es braucht Skaleneffekte, und kurz- und mittelfristig ist ein von konventionellen Treibstoffen getrennter Vertrieb nicht sinnvoll, weil zeit- und kostenintensiv. Deshalb arbeiten wir gemeinsam mit Synhelion weiter an diesem Thema, um attraktive klimaneutrale Angebote für unsere Kunden in der Schweiz zu entwickeln."

Dino Graf schätzte die hohe Professionalität des Projektteams: "Wir waren in den gesamten Prozess eingebunden und konnten uns dort einbringen, wo es nötig war. Ich freue mich schon auf neue Projekte zum Thema Elektromobilität und synthetische Treibstoffe."

Für Philipp Haudenschild, Fachspezialist für alternative Antriebe und Treibstoffe im Kompetenzzentrum Energiespeicher der SBB, sind die Erkenntnisse der Studie für die Industrie sehr wertvoll: "Die SBB kann diese neuesten Ergebnisse in ihre Bewertungsgrundlage für das Technologiescouting und als wichtige technische Quelle für die Neubewertung und Ergänzung der Dekarbonisierungsstrategie einbauen. Wir werden unsere Technologie-Roadmap für Anwendungen, die heute noch mit fossilem Diesel betrieben werden, ergänzen können", sagt Philipp Haudenschild und würdigt den guten Austausch mit den Experten der ETH Zürich und dem Projektteam:

"Für mich persönlich war es eine sehr angenehme Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, die mir auch geholfen hat, mich beruflich weiterzuentwickeln. Ein solches Forschungsprojekt hilft der SBB, die Herausforderungen der Zukunft besser zu meistern". Dr. Philipp Furler, CEO von Synhelion, meint: "Während Synhelion die thermochemische Reformierung als unseren marktführenden Weg zur Kraftstoffherstellung verfolgt, hat der in dieser Studie analysierte thermochemische Redoxweg eine tiefe Verbindung zu den Ursprüngen von Synhelion an der ETH. Diese Studie zeigt das Potenzial dieses Weges auf, da wir Schlüsseltechnologien, die beiden Wegen gemeinsam sind, demonstrieren und weiter ausbauen. Dieses Projekt war eine grossartige Gelegenheit, an der Schnittstelle von Grundlagenforschung, Techno-Ökonomie, öffentlicher Politik und Marktnachfrage nach kohlenstoffneutralen Kraftstoffen zu arbeiten."

Moretti C., Patil V., Falter C., Geissbühler L., Patt A., Steinfeld A., “Technical, economic and environmental analysis of solar thermochemical production of drop-in fuels”, Science of the Total Environment, Vol. 901, pp. 166005 (1 to 16), 2023. externe Seite https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2023.166005.

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